Mädchen schreibt Tagebuch mit Tee in der Hand

Glücklich leben: Alles eine Frage der Einstellung?

Das Glück liegt so nah – oder? Bei CF-Patientin und Mental-Trainerin Carina stimmt das. Im Interview spricht sie darüber, welchen positiven Einfluss Ziele auf das eigene Leben haben können, wie wichtig die Akzeptanz von Gefühlen ist – und warum viel bei den kleinen Dingen beginnt.

Zeitpunkt des Interviews: 2019

Wie hat dein persönlicher Weg zum Glück begonnen?

Als Jugendliche hatte ich wenig Kontakt zu anderen Menschen mit Mukoviszidose. Wenn ich in die Schule gegangen bin, habe ich mich häufig unverstanden gefühlt. Weil alle gesund waren und ich eben krank. In der Zeit habe ich mir eine Stütze gewünscht, die mir sagt: „Das ist okay so. Du schaffst das.“ Später habe ich viel darüber nachgedacht, wieso manche Menschen scheinbar so besonders glücklich sind. Warum sind manche so motiviert, ihre Ziele zu erreichen? Warum haben manche so viel Kraft? Nicht nur körperliche Kraft, sondern auch mentale Kraft.

Hast du mittlerweile die Antworten auf diese Fragen für dich gefunden?

Im Studium habe ich gelernt, dass jeder Mensch ein Ziel braucht und ich wissen muss, wohin ich will und wofür ich etwas tue. Dann muss aber auch Energie aufgewendet werden, um dieses Ziel zu erreichen. Heute weiß ich, dass gerade chronisch kranke Menschen jeden Tag aufs Neue Motivation aufbringen müssen, um ihren Alltag zu schaffen.

Die Psychologie war mein Werkzeug. Ich dachte, wenn ich das Fach studiere, lerne ich, warum manche Menschen so viel Kraft haben. Carina

Kannst du da ein Beispiel nennen?

Etwa beim Inhalieren. CF-Patienten wissen: Es ist wichtig, wir machen das für die Gesundheit. Häufig sind aber andere Dinge viel lauter als dieses eine langfristige Ziel  „Ich möchte, dass es mir auch noch in fünf Jahren gut geht.“ Manchmal funken stattdessen Gedanken dazwischen wie „Jetzt habe ich aber keine Zeit“ und „Jetzt bin ich zu müde“.

Der Game Changer an der Sache ist für mich, dass sich jeder bewusst machen muss, um was es geht. Auch ganz unabhängig vom Inhalieren oder der Gesundheit. Es ist entscheidend, für sich selbst zu wissen: „Ich werde nicht gestaltet von meinem Leben und von meinem Umfeld. Ich selbst kann mein Leben gestalten, ganz viel liegt in meiner eigenen Hand.“ Dieses Bewusstsein hat mir sehr geholfen, meine persönliche Ziele zu definieren und gleichzeitig meine Motivation geschaffen, diese Ziele zu erreichen.

Ich werde nicht gestaltet von meinem Leben und von meinem Umfeld. Ich selbst kann mein Leben gestalten, ganz viel liegt in meiner eigenen Hand. Carina

Wie wichtig ist es, mit der Erkrankung Frieden zu schließen?

Das ist total wichtig. Ich würde auch sagen, dass die Akzeptanz der Erkrankung ein ganz wichtiger und großer Schritt ist und für mich war. Aber der zweite, noch viel wichtigere Schritt ist die Erkenntnis: „Okay, ich möchte ein Leben mit dieser Krankheit führen. Ich entscheide mich für das Leben mit dieser Krankheit.“ Ich sag also Ja zum Leben und Ja zur Krankheit. Weil sie einfach zu mir und zu meinem Leben gehört. Und ich möchte ja leben. Deshalb sag ich Ja dazu.

Wie kann ich denn erreichen, mit meiner Erkrankung Frieden zu schließen?

Das ist und war für mich ein ganz, ganz langer Weg. Da steckt sehr  viel Arbeit mit sich selber drin. Es erstmal zu schaffen, nicht nur alles zu hassen, was mit der Krankheit zu tun hat. Sondern das einfach ein bisschen zu akzeptieren oder zu sagen, „Okay, das gehört halt dazu. So wie andere Menschen andere Päckchen in ihrem Leben haben, habe ich die Mukovizidose.“ 

Jeder CF-Patient muss für sich selbst lernen und auch ich habe gelernt, mit dieser Erkenntnis klarzukommen. Ich bin auch der Meinung, dass es helfen kann, mit anderen darüber zu sprechen. Gerade, wenn jemand große Schwierigkeiten mit dieser Erkenntnis hat. Niemand muss ganz alleine mit seinem „Päckchen“ klarkommen. Es lohnt sich zu lernen, andere um Hilfe zu bitten.

Welche Unterstützung hältst du da für geeigneter: eine Psychotherapie oder eine Selbsthilfegruppe?

Ich glaube, das hängt davon ab, wo die Schwierigkeit liegt. Ich bin der Meinung, wenn ein chronisch Kranker das Gefühl hat, dass alle anderen gesund sind und nur er ist krank, dann ist, meiner Meinung nach, eine Selbsthilfegruppe ganz toll. Da merkt derjenige: „Okay, da sind auch andere, die krank sind.“ Aber wenn jemand natürlich Ängste hat oder Depressionen, einfach immer traurig ist oder sich nicht aufraffen kann, dann macht es aus meiner Sicht schon Sinn, sich professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie zu holen. Das sollte jeder für sich individuell abwägen auch in Absprache mit seinem behandelnden Arzt.

Abgesehen von dieser Unterstützung durch andere: Wie können CF-Patienten persönlich am besten ihren Gefühlen umgehen?

Ich finde, jedes Gefühl hat seine absolute Daseinsberechtigung. Egal, ob jemand traurig ist oder wütend oder glücklich. Für mich persönlich ist es auch ganz wichtig, diese Gefühle rauszulassen und ihnen Raum zu geben. Egal, welche Gefühle das sind. Auf lange Sicht muss dann jeder für sich selbst schauen, welche Gefühle guttun und welche nicht. Etwa, wenn jemand sehr häufig wütend ist oder traurig. Denn wenn ich diese Gefühle jeden Tag habe, wie zufrieden oder glücklich kann ich dann mit meinem Leben sein? Aber natürlich ist es schwierig, von einem negativen Gefühl zu einem positiven zu kommen.

Und wie kann das gelingen?

Für mich persönlich habe ich herausgefunden, dass es hilft, ganz, ganz klein anzufangen. In Babyschritten Belastendes zu verändern und sich positive Punkte im Leben suchen, die einen glücklich machen. Das müssen nicht immer die großen Sachen sein. Ich hatte früher immer den Anspruch, dass alles um mich herum gut sein muss. Ich habe geglaubt, dass ich sonst nicht glücklich sein könnte. Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass die Art Glück, die ich suche, viel mehr aus mir selbst kommt.

Über Carina
CF-Patientin Carina am Strand

Quelle: https://www.damnbrave.de/

Carina lebt in Hamburg und hat Angewandte Psychologie studiert. In ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich mit dem Thema, wie es Menschen mit Cystischer Fibrose schaffen können, ihre Therapie regelmäßiger und besser durchzuführen - und welchen Einfluss Carinas Herzensthema, die Motivation, darauf haben kann.

Zusätzlich ist Carina ausgebildete (Sport-) Mental-Trainerin und betreibt einen Blog. Mit dieser Plattform will sie unter anderem die Mukoviszidose-Betroffenen erreichen, die sich - wie sie damals als Jugendliche - unverstanden und alleine fühlen.

Also das Wertschätzen der kleinen Dinge als Startpunkt auf dem Weg zum Glück?

Genau! Viele Menschen sind total fokussiert auf das vermeintlich eine Richtige und Wichtige, dieses eine große Ziel. Und die kleinen Dinge werden nicht mehr wahrgenommen. Viel schöner finde ich es, mich auf mein Inneres und meine Gefühle zu fokussieren. Etwa beim Spazieren gehen nehme ich ganz bewusst wahr: „Es ist gerade ein schöner Tag und die Sonne scheint und ich kann eine kurze Hose tragen.“ Oder: „Ich kann eine Freundin treffen.“, „Ich kann ein schönes Telefonat führen.“ Ganz banale Dinge kann ich dann auch wertschätzen.

Ein wichtiges Thema in deinem Leben ist auch der Mut.

Ich bin der Meinung, dass eigentlich die meisten chronisch Kranken wahnsinnig mutig sind, weil sie sich mit so einer Erkrankung dem Leben stellen. Mir begegnet häufig die Meinung, dass nur der mutig ist, der im Dunkeln raus geht und keine Angst hat oder durch fremde Länder reist, ohne irgendjemanden zu kennen. Für mich ist es aber auch mutig, in einer Gruppe zu sagen: „Ich bin chronisch krank und ich habe Mukoviszidose.“

Offen mit sich und mit der Erkrankung umzugehen, ist für mich mutig. Ich finde es so schön, wie toll viele CF-Betroffene mit ihrer Mukoviszidose umgehen. Es ist eben auch mutig, wer trotz Infektionsgefahr und anderen Schwierigkeiten eine Ausbildung machen möchte. Oder arbeiten geht und in den Urlaub fährt. Und es ist total wichtig, das wertzuschätzen.

Noch ein Lese-Tipp: Carina hat uns außerdem in einem weiteren Interview erzählt, wie sie mit längeren Krankenhausaufenthalten umgeht und welche Tipps sie für andere Betroffene hat.

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