Welche Faktoren sind wichtig bei der Arztwahl?
Zeitpunkt des Interviews: 2019
Als die Mutter von Johannes in den 90er-Jahren nach einem Arzt für ihren Sohn suchte, musste sie sich noch durchtelefonieren. Doch Johannes hatte Glück: Er bekam einen Platz bei dem damals einzigen verfügbaren CF-Spezialisten in Südbayern.
Das Internet als erste Anlaufstelle
Heute ist Johannes 34 Jahre alt und immer noch bei diesem Arzt – seit mittlerweile 19 Jahren. Für andere Patienten ist durch die Online-Arztsuche und den Erfahrungsaustausch im Netz vieles einfacher geworden. Mukoviszidose-Betroffene geben sich heute über Social-Media Tipps und arbeiten deutschlandweit in Interessenverbänden zusammen. „Die deutsche Community ist stark über Facebook organisiert“, erzählt Johannes. „In den einschlägigen Gruppen kann man immer andere Patienten fragen: Ich wohne da und möchte in diese Ambulanz. Habt ihr Erfahrungen mit dem Arzt?“
Auf die Patientenorganisationen verweist auch Dr. Carsten Schwarz. Er leitet die Sektion Cystische Fibrose für Erwachsene an der Berliner Charité. „In jedem Bundesland gibt es einen Mukoviszidose-Regionalverband. Auf der Website des Bundesverbands sind alle CF-Zentren in einer interaktiven Karte[2] verzeichnet.“ Meist sind das Ambulanzen von Krankenhäusern.
Betroffene können für eine Behandlung aber auch in spezielle CF-Praxen gehen. „Ob Klinikarzt oder niedergelassener Mediziner ist am Ende nicht entscheidend. Wichtig ist ein multidisziplinäres Team: In Ergänzung zu einer guten ärztlichen Versorgung braucht es Diätassistenten, Physiotherapeuten, Psychologen und CF-Schwestern“, sagt Dr. Carsten Schwarz.
Oft fordert die Behandlung Mukoviszidose-Patienten eine große Mobilität ab. „Ich kenne Patienten, die bis zu ihrer Ambulanz 300 Kilometer fahren“, erzählt Johannes. „Die Zentren sitzen nun mal in den Großstädten und deren Umland.“ Seine eigene Einrichtung ist knapp 80 Kilometer weit weg. „Das ist noch einigermaßen erreichbar.“ Dr. Schwarz hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Unsere Patienten kommen von überall her. Manche fahren über drei Stunden zu ihrer Behandlung.“
Besondere Herausforderung: Erwachsene mit Mukoviszidose
Dr. Schwarz sieht auch im Alter der Betroffenen einen wichtigen Faktor bei der Arztsuche. Denn: „Unsere Patienten werden immer älter. Mit den Lebensjahren kommen aber auch mehr Folgeerkrankungen. Es braucht einen erfahrenen Arzt, um diese Krankheitsbilder zu erkennen und behandeln zu können.“
Insgesamt ist die positive Entwicklung auf den medizinischen Fortschritt [3] der letzten Jahre zurückzuführen. Auch Johannes versucht stets am Puls der Zeit bzw. Forschung zu sein: Er informiert sich seit langem selbst über neue Therapieoptionen und diskutiert diese mit seinem Arzt. „Viele Betroffene informieren sich auf Patiententagen, in Foren und Social-Media-Gruppen über neue Therapieansätze oder Studien – und besprechen diese anschließend mit ihren Ärzten“, berichtet Johannes Gollwitzer.
Das Bauchgefühl ist ganz wichtig. Kann ich wirklich alles ansprechen? Nimmt man mich für voll?Johannes
Die CF hat Johannes und seinen Arzt zusammengeschweißt – gerade, weil dieser seinen Patienten in Therapieentscheidungen einbindet. „Er muss nicht mit den Nebenwirkungen leben. Deshalb lässt ein guter Arzt, meines Erachtens, auch die Eigenverantwortlichkeit seines Patienten zu.“ Von einem medizinischen Standpunkt aus spricht grundsätzlich nichts gegen diese Mitbestimmung, findet Dr. Schwarz. Im Gegenteil: „Eine Behandlung ist immer eine gemeinsame Entscheidung. Es kann mal mehr oder weniger Therapie sein. Aber wenn ein Mukoviszidose-Patient im Arztgespräch sagt, etwas hilft ihm nicht, dann werde ich das glauben und wir suchen zusammen nach anderen Möglichkeiten.“
Die freie Arztwahl hat für Betroffene noch einen weiteren Vorteil. Sie können eine zweite Meinung einholen. Johannes hat das schon einmal gemacht: „In meiner Therapie ging es weder vor noch zurück. Ich war dann in einer anderen CF-Ambulanz und habe mich dort nochmal beraten lassen. Für meinen Arzt war das vollkommen in Ordnung.“ Auch das ist für ihn ein wichtiges Kriterium auf der Suche nach dem passenden Arzt. Für Fachärzte ist dieses 4-Augen-Prinzip ebenfalls vorteilhaft. Dr. Schwarz: „Wenn ich einen Patienten seit zehn Jahren kenne, habe ich sicherlich irgendwo einen blinden Fleck. Das ist völlig normal.“
Was macht also einen guten CF-Arzt aus? Johannes sieht seinen Facharzt vor allem als Therapiepartner: „Wir haben über die Jahre eine enge Arzt-Patient-Beziehung aufgebaut. Wir kommunizieren auf Augenhöhe, ich kann alles ansprechen und er kennt meinen Krankheitsverlauf in- und auswendig.“ Dr. Carsten Schwarz: „Für eine erfolgreiche Therapie braucht es ein Vertrauensverhältnis. Nur dann kann ich gut therapieren. Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt.“
Fazit: Darauf kommt es bei der Arztsuche wirklich an
Die Arztsuche ist häufig nervenaufreibend, doch das Internet macht heutzutage vieles leichter. Betroffene können so einfach wie nie zuvor Kontakt aufnehmen zu Patientenorganisationen und anderen Betroffenen. Deren Unterstützung ist eine erste Orientierung zwischen den zahlreichen CF-Kliniken und -Ärzten.
Entscheidend für den Erfolg einer Therapie sind neben der ärztlichen Kompetenz auch Vertrauen und gegenseitiger Respekt. Nur der Anspruch auf eine gute Erreichbarkeit bleibt häufig den Großstadt-Bewohnern vorbehalten.
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