Seltene Mutationen bei Mukoviszidose - woher kommen sie und warum sollten sie erkannt werden?
Erstellung des Artikels: Juli 2024
Welche Mutationen bei Mukoviszidose vorliegen, ist nicht nur für Genetikerinnen und Genetiker oder CF-Forschende interessant, sondern auch für die Betroffenen selbst. Denn dieses Wissen erlaubt teilweise auch Rückschlüsse auf die Therapie und den Krankheitsverlauf. Denn: Mukoviszidose ist nicht gleich Mukoviszidose. Um die Symptome der chronischen Erkrankung besser verstehen und mit diesen leben zu können, ist es wichtig zu wissen, wie die Erkrankung eigentlich entsteht – und welche Mutation bei einem selbst vorliegt.[1]
Ursache der Mukoviszidose (zystische Fibrose, CF) sind Veränderungen (Genmutationen) im sogenannten CFTR-Gen (CFTR = Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator). Das CFTR-Gen besteht aus etwa 6.500 Bausteinen.[1] Insgesamt sind bisher etwa 2.100 verschiedene Mutationen im CFTR-Gen bekannt, die über das Gen verteilt auftreten.[2] Mehr als 700 dieser Mutationen wurden als mögliche Auslöser der Krankheit Mukoviszidose identifiziert.[3]
Welche Symptome im Einzelfall auftreten, ist unter anderem das Ergebnis der Kombination von zwei (oder mehr) Mutationen auf beiden Kopien des CFTR-Gens. Bei der sogenannten Genotypisierung lässt sich im Labor der Genotyp einer CF-Patientin oder eines CF-Patienten durch Analyse der in einer Blutprobe oder einem Abstrich der Mundschleimhaut enthaltenen Erbsubstanz (DNA) feststellen.[4] Unterschiedliche Mutationen können die Funktion des CFTR-Proteins auf unterschiedliche Art und Weise beeinträchtigen, was dann auch unterschiedliche Behandlungsansätze zur Wiederherstellung der Proteinfunktion erfordert.
Einige wenige dieser Mutationen kommen relativ häufig vor, die meisten sind allerdings sehr selten. Nur sechs Mutationen sind weltweit bei mehr als 1 % der Menschen mit Mukoviszidose zu finden.[3] Schon in Europa ist die Verbreitung der sogenannten Genotypen geografisch recht unterschiedlich.[5] Zudem schwanken Ausbreitung und Verteilung der einzelnen Mutationen in Europa abhängig von der ethnischen Zugehörigkeit der Betroffenen.[6]
Mutationen und ihre Verteilung in Europa
Grundsätzlich gibt es bei Mukoviszidose sechs verschiedene Arten von Mutationen, die als Mutationsklassen bezeichnet werden.
Klasse I (Null-Mutationen):
Die Mutationen dieser Klasse führen dazu, dass kein funktionsfähiges CFTR-Protein gebildet wird, wodurch keine CFTR-Funktion vorhanden ist.[7]
Die in Europa häufigste Klasse I-Mutation G542X ist vor allem in Südeuropa verbreitet. Am häufigsten kommt sie in Armenien vor (8,3 %), in Irland und Skandinavien dagegen kaum.[5] In Deutschland wird diese Mutation bei 2,1 % der Betroffenen gefunden.[8] Damit ist sie hier nach F508del die zweithäufigste CFTR-Mutation.
Klasse II (gestörte Reifung):
Bei Mukoviszidose-Genmutationen der Klasse II bilden die Zellen CFTR-Proteine. Diese werden beim Heranreifen aber fehlerhaft gefaltet und deshalb zum Großteil wieder abgebaut, bevor sie ihren Bestimmungsort erreichen.[7]
Zu dieser Mutationsklasse gehört F508del, die häufigste Mukoviszidose-Mutation in Europa. Sie kommt in allen europäischen Ländern am häufigsten vor, insbesondere in Dänemark (83,2 %), Albanien und Kroatien (81 %).[5] Bei mehr als 80 % der deutschen Betroffenen findet sich diese Genveränderung mindestens einmal.[8]
Bei Betroffenen mit außereuropäischer Herkunft kommt die Mutation F508del dagegen seltener vor. So steht F508del zum Beispiel in Saudi-Arabien nur an zweiter Stelle. Ansonsten sind in Europa weitere CFTR-Mutationen zu finden, die aber innerhalb eines Landes und zwischen den verschiedenen Ländern stark variieren können.[9]
Auch die Mutation N1303K ist ein Vertreter der Klasse II. Sie betrifft in Deutschland nur 2 % der Menschen mit Mukoviszidose.[8] Außer in Island (46,4 %) ist diese Mutation im Norden Europas kaum verbreitet. In Süd- und Osteuropa kommt sie dagegen häufiger vor.[5]
Klasse III (Gating-Mutation):
CFTR-Gen-Mutationen der Klasse III beeinträchtigen die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chloridkanals im CFTR-Protein. Der Kanal bleibt nicht ausreichend lange geöffnet oder öffnet sich nicht oft genug, um seine Aufgabe zu erfüllen.[7]
Klasse III-Mutationen gehören insgesamt zu den eher selten auftretenden Mutationen. In Deutschland findet sich gerade einmal bei jedem 30. Betroffenen eine Gating-Mutation.[8]
Die bekannteste Klasse III-Mutation G551D betrifft in Deutschland etwa 1,6 % der Menschen mit CF.[8] Während sie in Irland am häufigsten vorkommt (8,3 %), ist G551D in Süd- und Osteuropa kaum verbreitet (<0,1%).[5]
Klasse IV (Reduzierte Kanal-Leitfähigkeit):
Die Körperzellen produzieren zwar CFTR-Proteine, die allerdings eine verminderte Leitfähigkeit aufweisen.[7] Der häufigste Vertreter der Klasse IV in Deutschland ist die Mutation Arg117His mit einem Anteil von 0,5 %.[8]
Klasse V (Reduzierte CFTR-Synthese):
CFTR-Proteine werden zwar produziert, allerdings nicht in ausreichender Zahl.[7] Ein Beispiel für eine Klasse V-Mutation ist 3849+10kbC->T. Diese Genmutation ist in Deutschland bei 1,1 % der CF-Betroffenen zu finden.[8] Europaweit kommt sie in Litauen am häufigsten vor (8,1 %).[5]
Ein weiteres Beispiel für eine Klasse V-Mutation ist 2789+5G->A. Während sie in Deutschland bei 0,8 % der CF-Betroffenen [8] zu finden ist, kommt sie in der Türkei (3,1 %) häufiger vor. Auch in Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich ist diese Mutation verbreiteter als im Norden Europas.[5]
Klasse VI (vorzeitiger Abbau):
Bei Mutationen dieser Klasse weist das CFTR-Protein eine verminderte Stabilität auf. Es wird deshalb an der Zelloberfläche vorzeitig abgebaut.[7]
Warum ist es wichtig, die Verteilung seltener Mutationen zu kennen?
Europa ist ein Schmelztiegel für Menschen aus vielen Regionen dieser Welt und das wirkt sich auch auf die Behandlung von Mukoviszidose in Europa aus. Denn die Betroffenen tragen die in ihrer jeweiligen Heimatregion verbreiteten Mutationen in sich.
Das Verteilungsprofil seltener Mutationen im CFTR-Gen hängt also stark von der ethnischen oder geografischen Herkunft der Mukoviszidose-Patienten ab. Welche Mutationen im Einzelfall vorliegen, ist aber entscheidend für die Auswahl der richtigen Therapie.[6] Deshalb sollten die genetischen Analysen frühzeitig erfolgen und die ethnische Zugehörigkeit der zu untersuchenden Person berücksichtigt werden.
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