Mukoviszidose – was passiert im Körper?
Mukoviszidose oder Cystische Fibrose (CF) ist eine genetisch bedingte, seltene Stoffwechselerkrankung.[1] Dabei sind alle nach außen abgebenden bzw. exokrinen Drüsen betroffen.[2] Exokrine Drüsen geben ihr Sekret (= Absonderungsprodukt) an innere (z. B. Lunge oder Verdauungstrakt) oder äußere Körperoberflächen (Haut) ab.[3,4] Im Gegensatz dazu sondern nach innen gebende (endokrine) Drüsen, die Hormondrüsen, ihre Produkte direkt in das Blut ab.[5]
Bei Mukoviszidose sind vor allem die exokrinen Drüsen in der Lunge aber auch den Nasennebenhöhlen, dem Verdauungstrakt mit Leber und Bauchspeicheldrüse sowie der Haut betroffen.[6,7]
Die Ursache: Veränderungen am CFTR-Gen
Die Ursache von Mukoviszidose liegt in Veränderungen (Mutationen) auf dem CFTR-Gen (CFTR: Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator; Zystische Fibrose Transmembran Leitfähigkeitsregler). Das CFTR-Gen liegt auf Chromosom 7 und dient als Bauplan für einen Transportkanal, durch den elektrisch geladene Atome oder Moleküle (Ionen) aus den Schleimhautzellen hinausbefördert werden. Im gesunden Körper scheiden die Zellen über diesen Kanal Chlorid-Ionen aus, die dann außerhalb der Zelle mit Natrium-Ionen zusammen als gelöstes Kochsalz (NaCl) vorhanden sind. Um die steigende Salzkonzentration außerhalb der Zelle auszugleichen, strömt Wasser aus den Zellen nach und befeuchtet so die Schleimhäute.[8]
Bei Menschen mit Mukoviszidose führen die Fehler im CFTR-Gen zu Störungen dieses Kanalproteins. Der Körper muss mit defekten oder gänzlich fehlenden CFTR-Proteinen auskommen: Der Ausstrom der Chlorid-Ionen ist dadurch zu gering oder bleibt aus. Es kommt in verschiedenen Organen zu einem mangelhaften Salz- und Wasseraustausch zwischen den betreffenden Zellen und Zelloberflächen.[9]
Statt der Befeuchtung der Schleimhäute durch einen wässrigen Film, bildet sich ein extrem zähflüssiger Schleim.
Dies kann überall dort im menschlichen Körper Auswirkungen haben, wo sich Schleimhäute befinden. Statt der Befeuchtung der Schleimhäute durch einen wässrigen Film, bildet sich ein extrem zähflüssiger Schleim. Dieser verklumpt und kann nur sehr schwer abtransportiert werden. Der Schleim blockiert beispielsweise die Atemwege, den Darm und die Gänge der Bauchspeicheldrüse (Pankreas).[11] In den Atemwegen wird dadurch das Wachstum von Bakterien begünstigt, was zu wiederkehrenden Infektionen und chronischen Entzündungen sowie einer fortschreitenden Schädigung der Lunge führen kann.[12]
Die Biologie der Mukoviszidose
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ZELLKERN: CF entsteht durch Mutationen im CFTR-Gen, die zu einem defekten oder fehlenden Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator(CFTR)-Protein führen.[13]
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CHLORID-IONEN: Ist ein Bestandteil von Salz.[13]
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NORMALE CFTR-PROTEINE befinden sich in den Zellmembranen von Epithelien verschiedener Organe, u.a. der Lunge, der Leber, des Pankreas, des Verdauungssystems und der Schweißdrüsen. Diese Proteine regulieren den Salz und Wasserhaushalt der Zellen.[13]
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DEFEKTE CFTR-PROTEINE führen zu einem gestörten Austausch von Salz und Wasser zwischen Zellinnerem und Zelläußerem. In der Folge bildet sich dicker, zäher Schleim, der etwa die Lunge und Atemwege, den Darm und die Pankreasgänge verstopft.
Menschen mit CF haben entweder zu wenige CFTR-Proteine an der Zelloberfläche oder CFTR-Proteine, die nicht korrekt funktionieren. Auch eine Kombination aus Reduktion der Menge und der Funktionalität von CFTR ist möglich.[13]
Die Symptome sind vielfach und individuell unterschiedlich
Mukoviszidose ist eine multisystemische Erkrankung: In allen Organen, in denen exokrine Drüsen vorhanden sind, treten Störungen beim Salz- und Wasserhaushalt im Gewebe auf. In der Lunge und im Bronchialsystem sind die Defekte meist am stärksten ausgeprägt.[14] Alle Menschen mit Mukoviszidose haben einen Defekt am selben Gen (CFTR-Gen), der Krankheitsverlauf, die betroffenen Organe und die Ausprägung der Symptome können jedoch abhängig von der Mutation und weiteren Faktoren sehr unterschiedlich sein.[8]
Die Symptome im fortschreitenden Stadium der Erkrankung sind multifaktoriell. Das heißt, ein Symptom kann das andere wiederum verstärken.[15]
Eine frühzeitige und konsequente Therapie kann dabei helfen, die Symptome unter Kontrolle zu halten.
Mukoviszidose ist nicht heilbar, aber es stehen mittlerweile verschiedene symptomatische Behandlungsmethoden zur Verfügung und im Falle von einigen Mutationen Behandlungen, die an dem zugrunde liegenden Proteindefekt ansetzen. Eine frühzeitige und konsequente Therapie kann dabei helfen, die Symptome unter Kontrolle zu halten. Sie kann helfen, Komplikationen zu verhindern oder abzumildern und die Lebensqualität und -erwartung zu erhöhen.[8,16]
So beeinträchtigt Mukoviszidose den Körper
- NEBENHÖHLEN: chronisch verstopfte Nase, Nasennebenhöhlenentzündungen und Schmerzen, dadurch Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmacksinns [13]
- LUNGE: Husten, Atemnot, chronische Lungeninfektionen und fortschreitende Lungenschädigung [18]
- HAUT: übermäßiger Salzgehalt im Schweiß kann zu Dehydration und Überhitzung führen |17]
- LEBER: verdickte Gallenflüssigkeit kann Gallengänge blockieren und zu einer Zirrhose führen [13]
- BAUCHSPEICHELDRÜSE: verminderte Verfügbarkeit von Bauchspeicheldrüsenenzymen führt zu Mangelernährung, Gefahr eines CF-assoziierten Diabetes mellitus [13]
- GASTROINTESTINALTRAKT: Beeinträchtigung des Geschmacksinns, Appetitlosigkeit, gestörte Verdauung, mangelnde Aufnahme von Nährstoffen, Blockade und Verstopfung [13]
- FORTPFLANZUNGSSYSTEM: Die meisten Männer mit CF sind unfruchtbar – die Fruchtbarkeit vieler Frauen ist beeinträchtigt.[13]
Symptome der Atemwege
Die Schleimproduktion bei Menschen mit Mukoviszidose ist im Vergleich zu gesunden Personen erhöht. Der zähe Schleim blockiert die Atemwege und führt zu anhaltendem, chronischem Husten. Es können pfeifende Atemgeräusche auftreten.[8] Da durch den Schleim die Infektanfälligkeit erhöht ist, kann es zudem zu chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen und wiederholt auftretenden Lungenentzündungen kommen. Dadurch können sich im Lungengewebe bleibende Narben bilden.[8]
Die fortschreitende Schädigung der Lunge kann dabei zu Bronchiektasen führen.[17] Dabei handelt es sich um nicht wieder rückgängig zu machende Erweiterungen der Bronchien durch Zerstörung des Knorpelskeletts, der glatten Muskulatur sowie des elastischen Bindegewebes der Bronchialwand.[17] Anzeichen hierfür sind chronischer Husten mit Auswurf, Brustschmerzen, Keuchen und Kurzatmigkeit.[17]
Weitere mögliche Symptome sind Trommelschlägelfinger, die sich in Folge des Sauerstoffmangels im Blut ausbilden können. Dabei ist der Bereich um die Fingerkuppen stark vergrößert.[17]
Im Spätstadium kann die Lungenschädigung zu chronischer Atemschwäche führen (respiratorischer Insuffizienz) und den Blutdruck in der Lunge erhöhen (pulmonale Hypertonie).[17]
Das Verdauungssystem weist bei Menschen mit Mukoviszidose ebenfalls häufig schwerwiegende Funktionsstörungen auf.
Symptome des Verdauungstrakts
Viele Neugeborene mit Mukoviszidose haben bereits Probleme den ersten Stuhl, das sogenannte Kindspech (Mekonium) auszuscheiden. Dies kann bis zum Darmverschluss führen.Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und die Leber können durch den zähen Schleim in ihrer Funktion gestört werden. Dadurch wird verhindert, dass wichtige Verdauungsenzyme in den Darm gelangen, wo sie gebraucht werden.[8,13]
Die Ansammlung von zähem Schleim in den Gängen der Bauchspeicheldrüse kann das Organ nachhaltig schädigen (Fibrosierung) und dessen Funktion zerstören (Pankreasinsuffizienz) – dies ist meist die Hauptursache für Mangel- bzw. Unterernährung bei Mukoviszidose, da wichtige Verdauungsenzyme nicht zur Verfügung gestellt werden können.[8,21]
Die fehlenden Verdauungsenzyme können zu Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder hartnäckigen Durchfällen führen. Wachstumsverzögerungen und Untergewicht können die Folge sein.[16]
Darüber hinaus kann sich eine schmerzhafte Entzündung der Bauchspeicheldrüse entwickeln (Pankreatitis). Zu den Symptomen gehören plötzliche auftretende starke Bauchschmerzen, Blähungen, Verdauungsstörungen, Übelkeit und Erbrechen, Herzrasen (Tachykardie) und Gewichtsverlust.[13]
Der Schleim kann in der Bauchspeicheldrüse auch die Zellen blockieren, die für die Insulinproduktion verantwortlich sind (Langerhans-Inseln). So kann es zu CF-assoziiertem Diabetes kommen.[13] Die Symptome sind wie bei Diabetes erhöhter Durst, erhöhter Harndrang, Müdigkeit und Gewichtsabnahme – und es kommt darüber hinaus auch zu einem weiteren Rückgang der Lungenfunktion.[16]
Durch den Schleim können auch die Gallengänge in der Leber blockiert werden, was zu einer Störung des Abflusses von Galle führt. Die Leber wird dadurch nachhaltig geschädigt, kann vernarben (Leberfibrose) und als Spätfolge eine Leberzirrhose ausbilden.[13]
Symptome der Fortpflanzungsorgane
Die Entwicklung der Samenleiter, die Verbindung, die die Spermien von den Hoden in die Harnröhre befördern, wird ebenfalls vom CFTR-Gen gesteuert und unterbleibt demnach bei den meisten Männern mit Mukoviszidose. Die überwiegende Mehrzahl (98 Prozent) ist deshalb unfruchtbar.[21]
Auch Frauen mit Mukoviszidose können unfruchtbar sein oder schwerer schwanger werden: Übermäßig dicker Schleim am Gebärmutterhals kann für Spermien undurchlässig sein und dadurch eine Befruchtung verhindern. Zudem kann Untergewicht zum Ausbleiben der Menstruation und des Eisprungs führen – der Voraussetzung für eine Schwangerschaft.[21]
Menschen mit Mukoviszidose weisen eine erhöhte Konzentration von Salz im Schweiß auf.
Salzverlust durch Schwitzen
Menschen mit Mukoviszidose weisen eine erhöhte Konzentration von Salz im Schweiß auf (Salzverlustsyndrom) und müssen bei Bedarf zusätzliche Elektrolyte und Flüssigkeit aufnehmen.[8] Symptome eines Elektrolytmangels sind Muskelzittern, Muskelkrämpfe oder -schwäche, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Verwirrtheit.[18]
Wie Mukoviszidose vererbt wird
Mukoviszidose wird autosomal-rezessiv vererbt: Jeder Mensch besitzt zwei Kopien des CFTR-Gens, eine von der Mutter und eine vom Vater. Um zu erkranken, muss ein Kind von beiden Elternteilen eine defekte Kopie des CFTR-Gens erben – und beide Kopien müssen mindestens eine krankheitsverursachende Veränderung aufweisen. Wer nur eine defekte Kopie des CFTR-Gens erbt, erkrankt nicht, ist jedoch CF-Träger und kann sein defektes CFTR-Gen vererben.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Mukoviszidose haben wird, wenn beide Elternteile CF-Träger sind, beträgt eins zu vier. Genauso hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dem Nachwuchs keine defekte Kopie des CFTR-Gens vererbt wird. Und zu 50 Prozent wird das gemeinsame Kind ebenfalls Träger eines defekten CFTR-Gens sein, aber nicht selbst erkranken.[10]
Eins zu vier beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind CF haben wird, wenn beide Elternteile Träger einer defekten Kopie des CFTR-Gens sind.
DE-20-2200199