„Ich fühle mich genau richtig, so wie ich bin.“
Erstellung des Artikels: 2019 (zuletzt aktualisiert: Januar 2024)
Gab es eine konkrete Situation, in der du gespürt hast, dass du deine Träume trotz Mukoviszidose verwirklichen kannst?
Das war kein bestimmter Moment. Meine Eltern haben mir immer ganz klar vermittelt, dass ich genauso leben kann, wie jeder andere und dass mir alle Wege offenstehen. Mir war immer klar, dass ich meine Träume auch verwirklichen kann. Irgendwann kam aber der Punkt, an dem ich gesagt habe: Ich möchte das Leben auskosten. Das ist durch das Reisen gekommen. Ich habe die Welt mit anderen Augen gesehen und für mich entschieden, mit der Krankheit nicht nur so gesund wie möglich zu überleben, sondern wirklich leben zu wollen.
Ich habe für mich entschieden, mit der Krankheit nicht nur so gesund wie möglich zu überleben, sondern wirklich leben zu wollen.Denise
Wie ist dir das gelungen?
Für mich ist das ein Wechselspiel aus Medizin, der Unterstützung der CF-Experten und Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe. Ich schätze beispielsweise Yoga, Meditation, gute Ernährung, viel draußen und viel in Bewegung zu sein. Und ich weiß, dass auch das Seelische und Emotionale sehr stark mitspielt. Ich glaube, wenn es einem seelisch gut geht, geht es einem auch körperlich sehr viel besser. Wenn man den Kopf in den Sand steckt und das Opfer seiner Krankheit ist, dann ist es natürlich umso schwieriger, damit zu leben und ein besonderes und einzigartiges Leben zu führen. Deshalb ist der positive Blick auf die Welt wichtig.
Yoga ist für Denise wichtig, um die richtige Balance in ihrem Leben zu finden.
Inwiefern haben deine Eltern und deren Umgang mit deiner Erkrankung dir dabei geholfen, deine Träume zu verwirklichen und positiv nach vorn zu schauen?
Meine Eltern haben schon früh den Grundstein gelegt, damit ich einen positiven Blick nach vorn entwickeln konnte. Sie sind beide in sich schon so stark und positiv. Nach der Diagnose gab es für sie keine Alternative, als sich zu sagen, dass sie stark sein müssen für ihr Kind und ihm so viel Stärke wie möglich mitgeben müssen. Sonst würde es mir heute wahrscheinlich nicht so gut gehen. Klar sprechen wir auch mal über die traurigen, emotionalen Seiten. Auch über das Sterben und die geringere Lebenserwartung bei Mukoviszidose – und das ist auch wichtig.
Doch der Fokus sollte auf dem Leben liegen und nicht auf der Erkrankung. Zumal die Lebenserwartung sich enorm erhöht hat. Ich bin so dankbar, dass es Menschen gibt, die sich mit Leib und Seele für die Forschung und den medizinischen Fortschritt einsetzen.
Einfluss auf meine Einstellung hatte sicher auch, dass ich als Kind und Jugendliche kaum Kontakt zu anderen CF-Patienten hatte. Meine Eltern wollten das Risiko der Ansteckung möglichst geringhalten. Einerseits finde ich das gut, weil ich dadurch erst gar nicht auf die Idee gekommen bin, mich mit der Erkrankung zu identifizieren oder davon beeinflussen zu lassen. Es ist aber auch schade, weil es einfach sehr tolle Menschen mit CF gibt, die ihren Weg mit der Krankheit finden.
Der Fokus sollte auf dem Leben liegen und nicht auf der Erkrankung.Denise
Wie bist du zum Reisen gekommen?
Niemand aus meinem Umfeld war groß als Backpacker, also mit dem Rucksack unterwegs. Ich habe damals einfach sehr viele Reiseblogs gelesen und habe dann angefangen, mir Reiseführer zu kaufen – einfach so aus Interesse. Ich war zwei Jahre zuvor das erste Mal campen, das hatte mich angefixt. Zu der Zeit habe ich noch mit meinem damaligen Freund zusammengewohnt und es sah alles so aus, als würde es in Richtung Heirat und Familiengründung gehen. Er hätte diese Reise nie mitgemacht. Deshalb war die Entscheidung auf einmal da, diese Reise zu machen und dann eben alleine. Diese erste Reise allein hat für mich alles verändert. Auch wenn ich reise, muss ich mir einen Rahmen schaffen, damit ich arbeiten kann. Ich bin sonst einfach zu chaotisch. Ich stehe morgens auf, mache direkt Yoga und meditiere. Dann arbeite ich vielleicht noch ein bisschen. Dann wird gefrühstückt und danach inhaliert. Diese Morgenroutine brauche ich. Der Rest des Tages ist offen. Ich mag das Gefühl, ungebunden zu sein und auch nur wenige Dinge zu besitzen.“
Wie war das, als du deiner Familie, deinen Freunden, deinem Arzt eröffnet hast, dass du reisen willst? Bist du auf blankes Entsetzen gestoßen oder auf Verständnis?
Die Erkrankung war überhaupt kein großes Thema bei der Vorbereitung auf die Reise. Auch wenn das nicht für jeden selbstverständlich ist, für mich war das selbstverständlich. Es war klar, dass ich meine Therapie weitermache wie bisher. Um Platz zu sparen, habe ich meine Medikamente beispielsweise aus den Originalverpackungen genommen und ganz minimalistisch verpackt. Das war im Vorfeld die wichtigste Überlegung.
Es gab überhaupt wenige Reaktionen auf mein Reisevorhaben. Ein paar Leute haben mich gefragt, ob ich das wirklich alleine machen will. Mein Arzt dagegen hat mich immer schon sehr unterstützt. Er hat mir nur gesagt, worauf ich aufpassen muss, gerade in Bezug auf Keime. Und ich war es immer schon gewohnt, zu machen, was ich mir in den Kopf gesetzt habe.
Meine erste Reise hat alles für mich verändert.Denise
Was machst du, wenn du unterwegs einen Arzt brauchst?
Das ist bis jetzt noch nicht vorgekommen. Ich bin zwar unterwegs schon krank geworden und habe auch mal gedacht, dass es mir nicht so gut geht. Aber ich habe bis jetzt immer einen Umgang damit gefunden. Ich habe immer meine Notfall-Antibiotika dabei. Ich recherchiere im Vorfeld, wo es CF-Kliniken gibt und wo ich aufpassen muss, weil es keine Versorgung gibt. Das wichtigste ist, auf den eigenen Körper zu hören und zu sehen, was tut mir gut und was nicht. Trockenere Regionen beispielsweise vertrage ich nicht so gut. Und ich weiß heute auch sehr genau, wie es mir geht, ob mein Husten zu einer Bronchitis wird und die Gefahr besteht, dass sich daraus eine Lungenentzündung entwickelt. Dann würde ich nach Hause fliegen oder ein Krankenhaus aufsuchen.
Was würdest du anderen CF-Patienten raten, die zwar gerne reisen möchten, aber Bedenken aufgrund des gesundheitlichen Risikos haben?
Man sollte auf die innere Stimme hören. Ich glaube, das Leben ist eigentlich zu kurz, um das zu ignorieren, was das eigene Herz möchte. Mit einer Krankheit wie Mukoviszidose beschäftigt man sich zwangsläufig mit der Endlichkeit des Lebens. Und in dieser Hinsicht ist die Krankheit ein Geschenk, weil man sich damit schon genauer überlegt, ob man sich jetzt beispielsweise vier Jahre durch ein Studium quält, auf das man eigentlich keinen Bock hat. Dann überlege ich drei Mal und entscheide mich vielleicht für was anderes, weil ich denke: Das sind vier Jahre Lebenszeit.
Was bedeutet für Dich, ein „außergewöhnliches Leben“ zu führen?
Ein Leben zu leben, in dem man seinem Herzen folgt. Und ob das jetzt ein Leben ist, in dem man viel reist, verschiedene Sachen erlebt oder ob es etwa ein Leben als Bäcker ist. Wenn es das ist, was einem Freude bereitet und einen erfüllt, dann ist das wunderbar. Ich war zum Beispiel einmal in Portugal auf einer Insel wandern. Und zwei Jungs, von den Leuten, mit denen ich unterwegs war, sind dann von einem Felsen ins Meer gesprungen. Das war ziemlich hoch und ich wollte das auch machen, hatte aber total Angst. Dann habe ich mir überlegt, ob ich bereuen werde, es getan oder es nicht getan zu haben. Da ist für mich immer die Antwort: Ich werde es nur bereuen, wenn ich es nicht tue. Also bin ich auch gesprungen. Das war ein sehr schöner Moment und für mich auch ein Schlüsselerlebnis. Ich glaube, das gewöhnliche Leben ist, wenn man sich allen äußeren Umständen anpasst und alles macht, weil es gerade so bequem ist. Alles andere ist außergewöhnlich.
Auch mit Mukoviszidose kannst du ein erfülltes Leben führen.Denise
Du teilst auf deinem Blog Einblicke in dein Leben und deine Reisen. Wie bist du zum Bloggen gekommen?
Das hat sich entwickelt. Erst mal wollte ich nur übers Reisen berichten und meine Eindrücke teilen. Irgendwann kamen Nachfragen und ich habe angefangen, auch über andere Themen zu schreiben.
Du hast ein Buch geschrieben. Es heißt „Das Leben passiert für dich“. Hat sich für dich durch das Schreiben, die Beschäftigung mit deinem Werdegang etwas verändert?
Ja, auf jeden Fall. Für mich war das ein wichtiger Prozess, alles aufzuschreiben und mir anzusehen, wie alles zusammenhängt und wie das eine zum anderen geführt hat. Es war für mich sehr toll zu sehen, wie bestimmte Menschen mir Dinge an die Hand gegeben haben, die ich in den jeweiligen Momenten gebraucht habe. Als ich das aufgeschrieben habe und drauf geschaut habe, hat einfach alles gepasst. Und das war ein wahnsinnig schönes Gefühl, zu wissen, es hat alles seinen Sinn. Auch die Erkrankung hat ihren Sinn, sonst würde ich heute nicht so leben, wie ich lebe.
Und es war sehr schön, dadurch mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, die entweder selber Mukoviszidose haben oder einfach so vom Buch berührt waren. Und das ist sehr schön, wenn ich anderen helfen kann, mit Krankheiten fertig zu werden oder den Sinn hinter allem zu sehen.
"Auch die Erkrankung hat ihren Sinn, sonst würde ich heute nicht so leben, wie ich lebe." (Denise)
Wie hast du es geschafft, den Sinn zu erkennen und auch anzunehmen?
Einerseits durch das Buch. Andererseits gibt es eine Schlüsselszene, die ich auch in meinem Buch beschreibe. Ich war in Marokko und habe jemanden kennengelernt. Ein befreundetes Paar von dieser Person hatte gerade erfahren, dass ihr Kind Mukoviszidose hat. Und ich konnte daraufhin ein paar Tipps geben und habe gespürt, dass ich helfen kann. Dass das vielleicht der Sinn ist, mit dieser Krankheit zu leben. Und den Eltern, die so verunsichert sind und nicht wissen, wie ein Lebenslauf ihres Kindes aussehen könnte, zu zeigen: Auch mit Mukoviszidose kannst du ein erfülltes Leben führen. Das hat mir sehr geholfen, den großen Sinn dahinter zu sehen.
Wo findest du Unterstützung im Alltag für die Verwirklichung deiner Träume?
Freunde und Familie unterstützen mich sehr. Viel Kraft schöpfe ich zudem aus mir selbst und natürlich durch das Reisen sowie der Begegnung mit Menschen. Auch zu meditieren und in der Natur sein, gibt mir viel Kraft. Und es gibt verschiedene Netzwerke, auf die ich übers Internet gestoßen bin. Dazu gehören zum Beispiel Blogs zum Thema selbstbestimmtes Leben – das hat mich sehr fasziniert. Außerdem haben mir verschiedene buddhistische Lehrer oder Bücher von Paulo Coelho und Hermann Hesse geholfen, den Sinn des Lebens besser zu verstehen. Zugleich habe ich gelernt, mich von negativ eingestellten Menschen zu distanzieren. Das klingt zwar hart, aber wenn man Personen in seinem Umfeld hat, die ständig nur negativ reden, zieht einen das komplett runter.
Du bist individuell und darfst deine eigenen Erfahrungen machen – auch im Umgang mit der Erkrankung.Denise
Was rätst du anderen, damit sie ihre Träume verwirklichen können und dem Sinn ihres Lebens auf die Spur kommen?
Jeder ist individuell und muss seine eigenen Erfahrungen machen und seinen eigenen Weg finden – auch im Umgang mit der Erkrankung. Ich finde es hilfreich, einmal sein Leben aufzuschreiben. Dann sieht man, dass es Zusammenhänge gibt. Da sollte man bestimmte Fragen für sich beantworten. Welche positiven Auswirkungen hat die Krankheit für mich? Wie kann ich daraus lernen und persönlich wachsen? Aus den Antworten kann man sehr viel über seine Erkrankung und sich selbst lernen.
Ich habe dadurch in den vergangenen Jahren meinen Weg gefunden. Damit geht es mir richtig gut. Klar gibt es auch immer mal wieder doofe Momente, aber im Großen und Ganzen ist alles sehr schön.
Interessiert euch das Thema Reisen, dann ist für euch sicher auch der Erfahrungsbericht von Nora spannend, die für zwei Monate in Peru war.
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