Die Verbindung von Kopf und Körper: Psychosoziale Aspekte der Mukoviszidose
Zeitpunkt der Interviews: 2021 (Artikel zuletzt aktualisiert: September 2024)
Bei einer komplexen Erkrankung wie CF, die Patientinnen und Patienten körperlich sehr stark einnimmt, rückt die psychische Komponente leider manchmal in den Hintergrund – obwohl sie so wichtig und mit der körperlichen Gesundheit verbunden ist. Als fortschreitende Erkrankung kann die Mukoviszidose eine Vielzahl von Symptomen und dadurch bedingte zeitintensive Behandlungen mit sich bringen. Betroffene können aufgrund der Herausforderungen mit zahlreichen psychischen und sozialen Problemen konfrontiert sein, die ebenso akut angegangen werden müssen wie die körperlichen Belastungen.
Die Verbindung zwischen Kopf und Körper
Die Therapie bedeutet für Mukoviszidose-Betroffene auch eine gewisse Routine, die ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle entstehen lässt. Wenn dann beispielsweise ein Therapiewechsel ansteht oder eine Behandlung weniger Erfolg zeigt, kann das schnell den Boden unter den Füßen wegreißen und das sensible psychische Gleichgewicht belasten, erklärt Psychologin Kathrin Bremer im Interview.
Eine neue Therapie ist nämlich meist mit hohen Erwartungen verbunden, gleichzeitig führen Unwissenheit und Unbekanntes oft dazu, dass man sich nicht ganz wohl fühlt.
Ob Therapiewechsel, neue Medikamente oder auch eine plötzliche Besserung des Gesundheitszustands: Für Außenstehende sind das normale und sogar schöne Meilensteine, die Betroffene allerdings sehr unter Druck setzen können. Fragen wie „Wird die Therapie anschlagen? Was passiert, wenn nicht? Inwiefern verändert sich jetzt mein Alltag oder sogar meine Zukunftsplanung?“ entstehen. Neue Möglichkeiten können daher auch neue Unsicherheiten mit sich bringen. In solchen Situationen sei es absolut normal, sich traurig, ratlos oder sogar verzweifelt zu fühlen, erklärt Kathrin Bremer.
Hier kommt die Verbindung von Körper und Kopf ins Spiel: Diese sind wie eine Einheit und reagieren aufeinander. „Körperliche Erkrankungen belasten die Psyche durch erhöhten Stress, Ängste, Schmerzen und eventuell auch traumatische Erfahrungen. Andersherum beeinflussen psychische Faktoren auch die körperlichen Aspekte der Erkrankung, denn Dauerstress schwächt das Immunsystem und Depressionen können die Fähigkeit zur Durchführung der CF-Therapie reduzieren“, erklärt Kathrin Bremer.
Wenn die Therapie plötzlich anschlägt
Auch wenn eine positive Veränderung meist an erster Stelle Freude bei Betroffenen auslöst, könne auch diese Situation zu neuen Ängsten und Unsicherheiten führen, so Kathrin Bremer. Denn plötzlich ist man gefordert, sich an eine neue Situation anzupassen; fragt sich, ob man nun mehr leisten muss und ob die Besserung überhaupt anhält. „Diese Phase kann sehr schwierig sein und wird in der Psychologie dann als Anpassungsstörung bezeichnet.“
„Zur Bewältigung dieser Gefühle ist es hilfreich, sich therapeutische Unterstützung zu suchen. Denn ist die Anpassung an die neue Situation vollbracht, klingen auch die psychischen Symptome wieder ab“, beschreibt Expertin Kathrin Bremer. „Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann Zuversicht bringen und einem zeigen, dass man nicht allein ist“, führt die Psychologin fort.
Der Angst ganz bewusst ein 'was, wenn alles gut wird', entgegenwerfen.Kathrin Bremer
Lernen mit Angst umzugehen
Was kann CF-Betroffenen nun helfen, um diese psychischen Belastungen zu bewältigen? „An erster Stelle sollte bewusst sein, dass auch die Psyche unter der Mukoviszidose leidet“, erklärt Kathrin Bremer. Auch wenn es vielleicht leichter sei, die psychische Komponente außen vor zu lassen – Herausforderungen können nur bewältigt werden, wenn sie anerkannt werden, so die Psychologin. Es gibt viele Wege, um hier anzusetzen: Die Kommunikation mit Freunden und Familie, das Ausleben von Hobbies, gezielte Ablenkung, Entspannung und Bewegung, sowie die Auseinandersetzung mit Unsicherheiten sind hilfreiche Ansätze für den Umgang mit psychischen Belastungen und können den Alltag aktiv bereichern.
Mit Enttäuschungen während der Therapien und der dadurch entstehenden Angst sind die meisten CF-Betroffenen vertraut. Hier können Techniken erlernt werden, die dabei helfen, Gefühle zu regulieren. Achtsamkeit ist dabei das Stichwort.
Entscheidend sind oft gar nicht die großen Dinge, die wir tun, sondern das Kleine, Alltägliche.Kathrin Bremer
Resilienz als Schlüsselkompetenz
Wer resilient ist, kann besser mit Stress und negativen Gefühlen umgehen. Resilienz bringt uns also mehr Stabilität und Orientierung, auch wenn es mal hektisch wird und wir vor einem Berg an Herausforderungen stehen. „Dazu gehört auch herauszufinden, welche Bewältigungsstrategien wir für uns ganz persönlich entwickeln und nutzen können. Schwierigkeiten lassen sich leichter bewältigen, wenn wir ein gutes Selbstvertrauen haben und davon überzeugt sind, dass wir aktiv Einfluss auf unser Leben nehmen können“, beschreibt Kathrin Bremer dieses Konzept.
Die gute Nachricht: Resilienz ist wie ein Muskel des Körpers, der trainiert werden kann. Die Psychologin erklärt, dass der wichtigste Resilienzfaktor ein enges und unterstützendes soziales Umfeld ist. Jeder kleinste Kontakt, jedes Gespräch, hilft also beim Aufbau von Resilienz. „Weitere Faktoren sind Bildung und damit die Fähigkeit, Sinn in unserem Leben zu finden, der Glaube an die Selbstwirksamkeit, also selbst Einfluss auf das eigene Leben nehmen zu können, und die Fähigkeit das Unabänderliche zu akzeptieren,“ führt Kathrin Bremer fort. Das sind Dinge, die sich beispielsweise durch kulturelle Veranstaltungen, die Entdeckung eines neuen Buches oder sportliche Aktivitäten im Alltag gestärkt werden können.
Manchmal ist es das Beste, all diese Routinen einmal zu durchbrechen und etwas Wildes, Ausschweifendes zu machen.Kathrin Bremer
Sich professionelle Hilfe suchen
CF-Betroffene, denen es psychisch nicht gut geht, können das Gespräch mit einer Psychologin oder einem Psychologen suchen. Dort kann gemeinsam entschieden werden, ob ein Therapiebedarf besteht oder andere Maßnahmen eingeleitet werden sollten, erklärt Kathrin Bremer. An erster Stelle können Betroffene, die eine Therapie in Betracht ziehen möchten oder vielleicht noch Fragen dazu haben, ihr behandelndes Ärzteteam ansprechen.
Weiterführend bieten die meisten Ambulanzen die Möglichkeit, mit einer Psychologin oder einem Psychologen zu sprechen. „Vorteile wären hier, dass einem das Personal eventuell schon bekannt ist oder dass sich die Therapeutin oder der Therapeut mit Mukoviszidose auskennt“, erklärt Kathrin Bremer. Zusätzlicher Tipp der Psychologin: „Eine Möglichkeit, schnell an einen Therapieplatz zu kommen, bieten oft die Ambulanzen der Ausbildungsinstitute für angehende Psychotherapeuten. Dort erfolgt eine Behandlung immer unter Supervision eines erfahrenen Ausbilders, sodass die Qualität der Therapie in der Regel sehr gut ist.“
Mukoviszidose kann auf vielen Ebenen herausfordernd sein. Wichtig ist, diese Herausforderungen zu akzeptieren, über Gefühle zu sprechen und Fragen zu stellen. Auf diese Weise fällt es leichter, mit schwierigen Phasen der Erkrankung umzugehen und sie zu überstehen.
Das Gefühl zu haben, nicht allein dazustehen mit dem, was ich fühle und erlebe, ist etwas sehr Wertvolles für mich.Kathrin Bremer
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